Die Schattenseiten der Forensik: Der Fall des „Phantom von Heilbronn“

Was steckt hinter dem „Phantom von Heilbronn“?

Worum geht es?

Der Fall „Phantom von Heilbronn“, der zwischen 1993 und 2009 Schlagzeilen machte, wirft ein zentrales Thema der Forensik auf: die Bedeutung von Sorgfalt und Kontaminationsfreiheit. Über 40 Tatorte in Deutschland, Österreich und Frankreich wurden von der DNA einer unbekannten Frau „markiert“, bevor sich herausstellte, dass diese Spuren von einer Mitarbeiterin einer Wattestäbchenfabrik stammten. Diese überraschende Wendung stellte nicht nur die ermittelnden Behörden in einem zeitweise zweifelhaften Licht dar, sondern führte auch zur Verbesserung und Standardisierung bislang üblicher Vorgehensweisen.

Die Entdeckung und ihre Auswirkungen

Die Entdeckung, dass die DNA-Spuren von einem industriellen Produkt stammten, glich einem wahren Krimi. Insgesamt wurde die DNA an Proben von mindestens 40 Tatorten insbesondere in Süddeutschland sichergestellt, unter anderem bei sechs Mordfällen. Nur in Bayern fanden sich diese Spuren nicht. Irritierend war auch, dass es an keinem der vielen Tatorte jemals auch nur eine einzige Parallelspur des Phantoms gab: Weder gab es Zeugen, die die Person gesehen hatten, noch fanden sich Fingerabdrücke, Haare, Fasern, Schuhabdrücke oder irgendwelche andere Spuren der Person.
Lange verfolgte man die Hypothese, dass gezieltes Legen von Fremdspuren die Ermittler irritieren sollten. Aber: Konnte eine Einzelperson so vorausschauend und planvoll falsche Spuren legen?
Es gab viele Ermittlungsansätze in diesem Rätsel und nach mehreren Aufklärungsfehlschlägen verdichtete sich im Jahre 2009 die Überzeugung, dass es doch ein Thema der Verunreinigung sein müsste. Alle anderen Erklärungen hielten einer kriminalistischen Erklärung nicht stand.
Und in der Tat: schließlich gelang der Nachweis, dass eine bestimmte Herstellerfirma für diese Verunreinigung verantwortlich war. Dass beispielsweise in Bayern Phänomene dieser Art nicht beobachtet worden waren, lag schlicht an der Tatsache, dass die bayerischen Forensiker ihre Wattestäbchen von einem anderen Hersteller bezogen hatten.

Welche Lehren zog man aus dieser Panne?

Die Vorfälle rund um das „Phantom von Heilbronn“ haben vor allem eines bewirkt: Sensibilisierung für das Thema Prozessoptimierug bei Spurensuche.
Folgendes lässt sich festhalten:
Da es bislang keine verbindlichen Qualitäts- bzw. Sterilitätsstandards gab, sollten künftig nur noch Materialien verwendet werden, die garantiert frei von Fremd-DNA waren. Es wurde wurde festgelegt, dass beispielsweise die baden-württembergische Polizei nur noch mit Ethylenoxid gereinigte Wattestäbchen zur DNA-Aufnahme an Tatorten verwenden darf – mit diesem Verfahren wird derzeit am ehesten sichergestellt, dass das Aufnahmebesteck selbst nicht schon vor Verwendung mit DNA verunreinigt ist. Die Wattestäbchen sollen auch nur noch über den zentralen Einkauf der Polizei beschafft werden.
So hatte die Kriminalpolizei erfolgreich in eigener Sache ermittelt und zeigte, wie kritisch, beharrlich und sorgfältig man auch den ungewöhnlichsten Fragestellungen nachgehen sollte. Auch wenn die Lösung „nur“ eine sehr menschliche Erklärung hatte.

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